Ein Pionier, der den Tieren ihre Würde zurückgab

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Norbert Hackl zaubert seinen Schweinen ein Lächeln auf den Rüssel.

Auf der Suche nach Landwirten, bei denen die Tiere nicht nur geboren werden, um kurze Zeit später auf unseren Tellern zu landen, bin ich ziemlich bald auf den Pionier Norbert Hackl gestoßen. Gesucht, gefunden und inspiziert.

Kurze Zeit später stand ich mit meinem Koch und meinem Dad knöcheltief im Schlamm, auf einem endlos wirkenden, flachen Feld an der steirisch-burgenländischen Grenze. Schweine, die sich zufrieden im Schlamm suhlten, sich in großzügigen Geburtsnestern um deren Nachwuchs kümmerten, sich sonnten. Auf der Landwirtschaft von Familie Hackl hat jedes Schwein im Durchschnitt bis zu 300 Quadratmeter Freilauffläche im Gegensatz zur Marke Bioschwein Austria, bei der die Schweine Zugang zu 1 Quadratmeter befestigtem Auslauf haben und ein Weidezugang nicht mal verpflichtend ist. Labonca Schweine haben ein würdevolles Leben und dürfen ohne Angst in gewohnter Umgebung sterben.

Das Leuchten in Norbert´s Augen, als er uns aus seinem Leben erzählte, ließ mich auf eine bessere Zukunft für unsere Nutztiere hoffen:

  • Landwirt einer konventionellen Landwirtschaft in 3. Generation - wie früh war dir und deiner Frau klar, dass ihr einen anderen Weg gehen wollt und wodurch wurde das ausgelöst? 

    Eigentlich war nur klar, dass ich die Landwirtschaft meiner Eltern übernehmen soll, so wie sie damals war. Sehr konventionell. Genauso, wie es in den 70ern von der Kammer vorgegeben wurde. Nach dem Schulabschluss kam ich auf den elterlichen Hof. Wir hatten eine Vollerwerbs-Landwirtschaft mit rund 50 Hektar bewirtschafteter Ackernutzfläche und etwa 100 Mastrindern. Zu dieser Zeit hatte ich auch kein Bedürfnis, etwas zu verändern. Die Geburt unserer Kinder veränderte unseren Blick auf die Welt. Die Verantwortung wurde uns bewusst und so begannen wir „Bio“ zu spinnen.

  • Was waren die größten Hürden, die euch von den Behörden/EU/Politik in den Weg gelegt wurden? 

    Bewirtschaftungsformen, die das Schulbuch nicht vorsieht, werden von der Behörde ignoriert. So gab und gibt es für Investitionen in die Freilandhaltung keine finanziellen Unterstützung. Vor allem der Politik waren wir wohl ein Dorn im Auge, denn wir konnten und wollten unseren KollegInnen aufzeigen, dass Viehhaltung auch anders möglich ist und man sogar davon seinen Lebensunterhalt bestreiten kann.

  • Wärst du für 1 Tag Bundeskanzler der Republik Österreich - was würdest du in der Landwirtschaft ändern bzw. welche Gesetze einführen?  

    Ich würde die Freilandhaltung als einzig geltende Haltungsform und die Weideschlachtung als einzige legale Tötungsform festlegen. Jede andere Form der Schlachtung mit langen Transportwegen und Situtationen, in denen Tiere Angst, Stress und Leid ausgesetzt sind, verbieten. Österreich zum sicheren Vorzeigeland weltweit machen. Fleisch aus konventioneller Tierhaltung und aus dem Ausland mit mindestens 50% besteuern. Freilandbiofleisch ohne Steuer oder wie aktuell mit10 % besteuern.

  • Wir Menschen bzw. Gäste und Konsumenten verlieren zusehends den Bezug zu unseren Lebensmitteln. Fleisch wird als Ware gesehen, woraus Maßlosigkeit und eine viel zu geringe Wertschätzung einhergeht - wie sollen wir Gastronomen und Landwirte dem entgegensteuern? 

    Meiner Meinung nach ist das Zauberwort Transparenz. Wenn wir den Gästen vermitteln, woher und aus welcher Haltung das Fleisch kommt, werden sie auch bereit sein, einen fairen Preis zu zahlten und das Fleisch wert zu schätzen. Ehrlich sein, dem Gast nichts vortäuschen. Fleisch sollte nicht unbedingt durch vegane Gerichte ersetzt werden, sondern zur Beilage am Teller werden lassen. Wir wirtschaften ja getreu dem Motto: From Nose to Tail. Wir versuchen wirklich Alles zu verwerten und steigern somit die Wertschätzung. Gastronomen sollten nicht nur Edelteile anbieten, sondern alte Gerichte wieder aufleben lassen.

  • Wieso verkaufen wir uns so billig - sowohl Landwirte, als auch Gastronomen nehmen (je nachdem, was sie verkaufen) einen maßgeblichen Einfluss auf Krankheit oder Gesundheit der Menschen. Die Gesundheit und somit die Nahrung sollte als wertvollstes Gut angesehen werden. Trotzdem fehlt oft die Wertschätzung. Haben wir zu wenig Selbstbewusstsein? ;)

     Im ersten Schritt wäre die Politik gefordert, dem Preisdumping bei Lebensmitteln einen gesetzlichen Riegel vorzuschieben.

  • “Wer zu lange plant, verliert den Faden - wer zu wenig nachdenkt, macht Fehler - irgendwann muss man dann einfach losgehen. Hat es dich viel Überwindung gekostet, den ersten Schritt Richtung biologischer Landwirtschaft zu gehen? (dein Zitat find ich übrigends großartig - so hab ich auch gedacht, weshalb ich jetzt einfach mit dem Blog gestartet hab :))

    Nein. Es war auf jeden Fall pure Überzeugung, dass das, was wir vorhaben, gutgehen wird. Da uns Tierschutz zusehends wichtiger wurde und wir durch die Geburt unserer Kinder die Verantwortung spürten, einen Beitrag zu leisten, kam für uns irgendwann nur noch der Weg der Freilandhaltung in Frage.

  • Durch die intensive soziale Bindung ließ es Amanda sogar zu, die Ferkel neben ihr zu kastrieren - wenn man sich ein wenig mit Schweinen und anderen Nutztieren  auseinandersetzt, wird schnell klar, wie intelligent und sozial sie sind. Vergleichbar mit Kleinkindern oder Hunden - wie können wir Menschen es mit unserem Gewissen vereinbaren, bestimmt Tiere wie eine Ware und unsere Haustiere wie Kinder zu behandeln?

    Keine Ahnung. Das werden ich wohl nie verstehen können.

  • Im Buch Tiere essen von Jonathan Safran wird detailgetreu beschrieben, wie Nutztiere auf der ganzen Welt bewusst gequält werden, um daraus Profit zu schlagen - denkst du, dass die Menschen eines Tages dafür büßen müssen?

    Ganz bestimmt werden wir eines Tages dafür büßen müssen, Fleisch von misshandelten Tieren mit negativer Energie zu essen. Nicht ohne guten Grund gibt es mehr kranke Menschen, als jemals zuvor.

  • Spürst du als Landwirt bereits die Auswirkungen der Klimakriese? 

    Definitiv. Niemals zuvor haben wir am Acker das Getreide bereits im Februar gestriegelt. Schon bedrohlich, wenn der Februar zum April wird.

  • Wir sind Meister darin, die Ressourcen unsere Erde auszubeuten. Wir beuten uns sogar selbst aus. Burn out. Denkst du, dass wir den Point of Return noch schaffen können, den Klimawandel zu stoppen? 

    Wir werden bestimmt nicht mehr ganz zurück rudern können, aber dies ist möglicherweise auch nicht notwendig. Wenn man den Klimawandel positiv betrachten möchte, gibt es auf halbem Weg bestimmt eine Abzweigung, die uns neue Türen öffnen wird. Stichwort Evolution😊

  • Die letzten Stunden deiner Tiere sind entscheidend für die Wertschätzung im Umgang und die Qualität des Fleisches - wie sollte deiner Meinung nach die EU Schlachthygiene-Verordnung lauten?

    2010 wurde das Schlachten am eigenen Hof erschwert. Seither versuche ich Lösungen anzubieten, die keine faulen Kompromisse sind, weder für den Menschen noch für das Tier. Die Realität sieht leider zum Großteil anders aus. Es geht hauptsächlich um Effizienz und Reduktion der Schlachtkosten. Natürlich gibt es Tierschutz, jedoch ist es wohl Auslegungssache, ob ein Tier leidet, oder nicht. Um das Thema generell so zu lösen, dass es für Tier und Mensch passt, braucht es ein Loslösen aus alten Systemen. Um die Tragweite auch wirtschaftlich zu veranschaulichen: In Österreich werden jährlich 5 Millionen Schweine, mehr als eine halbe Million Rinder und 82 Millionen Hühner geschlachtet. Mir ist es wichtig, dass meine Schweine und Rinder in ihrem gewohnten Umfeld einfach umfallen, ohne dass sie vorher merken, was geschieht. Alles, was nach der Betäubung passiert, ist dem Tier schon egal. Wenn ich also das EU zertifizierte Weideschlachthaus zu den Tieren bringe, warten die Tiere im vertrauten Umfeld auf die Betäubung und haben keine Angst. Das wirkt sich wiederum positiv auf die Qualität des Fleisches aus. Fleisch wird erst durch den Zellenabbau von Mikroorganismen (Milchsäurebakterien) wirklich zart, geschmackig und mürbe. Die Mikroorganismen können sich aber nur entwickeln, wenn nach der Schlachtung ausreichend Glykogene, also Zuckerreserven, vorhanden sind und diese nicht durch Angst oder Stress vor der Schlachtung verbraucht wurden. Generell sollte das Thema nicht weiterhin tabuisiert werden sondern endlich artgerecht gelöst werden. So wie wir das betreiben, kann es jeder Betrieb machen.

  • Begegnung mit Herrn Josef Zotter - was würden Sie einem jungen Unternehmer raten, wie erfolgt der Aufbau einer neuen Marke mit geringen finanziellen Mitteln?

    Spannendes Thema das emotionalisiert. Kommunizieren, die Pforten öffnen, transparent sein, ehrlich sein und vor allem Geduld haben.

  • Wie schafft man Mitarbeiter in seinem Unternehmen, die für die Sache brennen? 

    Meiner Meinung nach funktioniert dies nur mit MitarbeiterInnen, die von Anfang an hinter der Sache stehen und sich mit dem Betrieb identifizieren können.

  • Was würdest du dir in der Zusammenarbeit mit der Gastronomie wünschen?  

    Mehr Möglichkeiten über Herkunft, Haltung und Schlachtung zu kommunizieren. Ist schwierig, da der Gast in ein Wirtshaus kommt, um zu genießen. Aber dennoch ist die Kommunikation der Schlüssel dafür, dass hochwertige und teure Produkte in der Gastronomie ihren Platz finden.

  • Meine Mama ist ebenfalls auf einer kleinen Landwirtschaft in den 60ern aufgewachsen. Ziemlich sicher war es eine biologische Landwirtschaft. 5 Schweine, 1 Kuh, eine Handvoll Hühner zur Selbstversorgung. Sie kann sich noch gut daran erinnern, dass sie bereits als kleines Kind das Blut der Tiere rühren musste, bis es stockte. Von Kopf bis Schwanz wurde alles verwertet. An Sonntagen, Geburtstagen und Feiertagen hat es das Fleisch der hauseigenen Tiere gegeben. Das war etwas Besonderes. Denkst du wäre dieser Grundgedanke nicht ein guter Ansatz für die Lösung vieler unserer Probleme wie Klimawandel, Massentierhaltung und Ressourcenverschwendung?

     Wenn Fleisch ordentlich teuer wird, lösen sich viele Probleme von selbst. Wäre auf jeden Fall der richtige Ansatz. Solange das Kilogramm Schweinefilet beim Lidl weniger als 10€ kostet, zerstören wir den Markt. Ganz zu schweigen das Preisdumping, das in unseren Nachbarländern stattfindet.

  • Im Laufe deiner Arbeit mit den Tieren in der Natur - hat es einen Moment gegeben, der deine Denkweise nachhaltig beeinflusst hat?

     Keinen Speziellen. Es gab sehr viele Momente, die mich nachhaltig beeinflusst haben( nur so darf Tierhaltung aussehen, nur so dürfen Ferkel zur Welt kommen, nur so darf man Tiere töten). In jedem Fall wusste ich immer, wenn ich etwas richtig gemacht habe. Nur so, wie ich jetzt Landwirtschaft betreibe, kann ich morgens in den Spiegel schauen.

  • Welches Buch (außer dein eigenes) würdest du einem guten Freund schenken? 

    Die Botschaft des Wassers von Emoto Masaru.

    Ein äußerst beeindruckendes Buch, das uns anregt, nachzudenken, welche Energien wir zu uns nehmen und was diese in uns bewirken.

  • Wunder geschehen jeden Tag - stell dir vor, ein Engel würde zu euch auf den Hof geflogen kommen. Sein Geschenk an dich: du darfst einen einzigen Fehler der Menschen wieder gut machen. Was wäre das?

     Die Gier abschaffen.