Hausverstand + Herz + harte Arbeit = Weingut Scheucher

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Interview mit Senior Chefin Johanna vom Weingut Scheucher in Labuttendorf

  • Wie alles begann.

    1983 als Gottfried und ich gemeinsam begonnen haben, hat es am Hof seiner Eltern Tierhaltung gegeben. In 3 Ställen waren insgesamt 400 Mastschweine untergebracht. Es wurde außerdem Wein produziert und verkauft, hauptsächlich in der Doppelliterflasche  - süß, schwer und sehr säurearm. 

Da Gottfried und ich gerne qualitativ hochwertigen Wein trinken, haben wir beschlossen, selbst welchen zu produzieren. Der Weingarten wurde gerodet, um Massenträgersorten durch Qualitätsrebsorten zu ersetzen. Auf den Äckern wurde die Fruchtfolge mit Gründüngung eingeführt. So wurden die Pflanzen wieder optimal mit Nährstoffen versorgt und waren widerstandsfähiger gegenüber Schädlingen und Krankheiten. Nach 30 Jahren Maisanbau war der Boden ausgelaugt und leer.

Obwohl wir die gemeinsame Kellerarbeit liebten und wir stolz darauf waren, hochwertigen Wein zu produzieren, war die Umstellung von Quantiät auf Qualität schwieriger als gedacht. Der bestehende Kundenstock war mit unserer Art Wein zu machen nicht einverstanden, weshalb wir uns zu Beginn sehr oft mit negativer Kritik auseinandersetzen mussten.  

Diesen Essig könnt ihr selber trinken!

Zusätzlich erschwerend kam noch hinzu, dass auch unsere langjährigen Mitarbeiter rebellierten. Mitarbeiter die seit ihrer Jugend bei uns am Hof arbeiteten und teilweise lebten, konnten sich plötzlich nicht mehr mit dem Betrieb identifizieren und taten sich schwer, die Veränderungen zu akzeptieren. So bezahlten wir Löhne an Mitarbeiter, die nicht hinter uns und unseren Produkten standen, was sowohl emotional, als auch wirtschaftlich belastend war.

Der Weinskandal 1985 war Segen und Fluch zugleich. Die Machenschaften einiger dubioser Weinpanscher führten zur größten Krise der österreichischen Weinwirtschaft und letztlich aber auch zum Welterfolg. Um nach dem Kriegsende den Durst der Bevölkerung zu stillen, wurde den Weingärten ein Maximum an Leistung abverlangt. Die Böden wurden mit Kunstdünger zugeschüttet, die Weine mit dem Frostschutzmittel Glycol gestreckt. Uns hat die Weinkrise geholfen, da wir mit sauberen und nachhaltigen Weinen argumentieren konnten, was einzelne Weingenießer zu der Einsicht bewegte, dass es auch östlich der Mur exzellenten Wein gab.

Die Schweinemast musste einem Gehege für Freilaufschweine weichen, wodurch wir neben Weinverkostungen auch für unsere Jause bekannt wurden. Unsere Schweine aus artgerechter Haltung verarbeitete ich zu Würsten und anderen Leckereien und verkaufte diese 10 Jahre lang in unserer Buschenschank. Da die Mehrfachbelastung von Weinanbau, Tierhaltung und Gastronomie für mich mit den Jahren zu viel wurde, beschlossen wir, uns wieder unserem Kerngeschäft dem Wein zu widmen.

  • Was sind deiner Meinung nach heutzutage die größten Herausforderungen für Landwirte?

Für uns Landwirte ist es mit Sicherheit zukunftsweisend zu lernen, respektvoller und nachhaltiger mit unserem Grund/Boden und unseren Tieren umzugehen und diese Prozesse dann auch nach Außen an unsere Kunden zu transportieren. Wenn wir es schaffen, unsere Kunden zum Thema nachhaltige Landwirtschaft zu sensibilisieren, werden diese auch bereit sein, einen fairen Preis zu bezahlen. Indem man aktiv das Gespräch mit dem Konsumenten sucht, den Betrieb für Interessierte zugänglich macht bzw. seine Pforten öffnet, schafft man Transparenz und Vertrauen. z.B: Schule am Bauernhof - Kindern wird die Arbeit und das Leben auf einem Bauernhof näher gebracht.

  • Du kochst mit Liebe und das schmeckt man auch. Denkst du, dass sich die Energie des Kochs auf das Gericht überträgt?

    Das denke ich schon. Die Gedanken und die Energie des Kochs übertragen sich auf das Gericht und demnach auf den Konsumenten. Kochen ist meine Leidenschaft und die Herkunft der Nahrungsmittel ist mir wichtig. Wir kochen und verarbeiten ausschließlich natürliche und sehr hochwertige Zutaten aus eigenem Anbau/Freilandhaltung. Unsere Kunden nehmen das wahr und wertschätzen das auch sehr.

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Vielen Dank für die beste Jaus´n ever…

und ein köstliches Glas Steirischer Satz

  • Wärst du für 1 Tag Bundeskanzlerin der Republik Österreich - was würdest du in der Landwirtschaft ändern bzw. welche Gesetze würdest du einführen?

Das wäre eine spannende Challenge - ich würde sämtliche landwirtschaftliche Betriebe zu einem respektvollen Umgang mit der Natur und ihren Nutztieren verpflichten, indem die Landwirte einen in sich geschlossenen Kreislauf schaffen müssen. Für die daraus entstandenen, wertvollen Lebensmittel würde ich gerechte, ehrliche und faire Preise verlangen.  

  • Wir Menschen verlieren zusehends den Bezug zu unseren Lebensmitteln. Täglicher Fleischkonsum wird als selbstverständlich gesehen, woraus Maßlosigkeit und eine viel zu geringe Wertschätzung einhergeht - wie sollen wir Gastronomen und Landwirte dem entgegensteuern?

Das Stichwort lautet Transparenz und Aufklärung. Deine Initiative, Nachhaltigkeit in der Gastronomie zu leben, dient für mich als gutes Beispiel dafür, wie Landwirte und Gastronomen an einem Strang ziehen können und voneinander lernen können. Indem du deinen Gästen dein erlangtes Wissen weitergibst, wird auch das Bewusstsein der Konsumenten angehoben. Denn letztendlich entscheiden die Konsumenten, was und vor allem wie produziert wird. 

  • In Österreich werden jährlich 2,5 Millionen Hektoliter Wein produziert - wie hebt ihr euch von den anderen Weingütern ab?

    Unsere Kunden schätzen die persönliche Betreuung, unsere Transparenz und das Gespräch. Wir haben keine Zwischenhändler und liefern den Wein noch selbst aus. Außerdem schätzen sie die Qualität unserer Produkte und die Liebe, mit der wir unsere Lebens- und Genussmittel zubereiten. Wir legen sehr viel Herzblut in unsere Arbeit - das schmeckt man denk ich. Das Thema Nachhaltigkeit ist uns schon seit der Hofübernahme eine Herzensangelegenheit - unsere Weinflaschen werden im Nachbarbetrieb gewaschen und wieder verwendet. Bei der Arbeit am Hof und in den Weingärten setzen wir unseren Hausverstand ein, um auch für die nächsten Generationen einen ökologischen Kreislauf zu gewährleisten.

  • Im Buch Tiere essen von Jonathan Safran wird detailgetreu beschrieben, wie Nutztiere auf der ganzen Welt bewusst gequält werden, um daraus Profit zu schlagen. Denkst du gibt es trotz steigender Bevölkerungszahl und wachsenden Fleischkonsum von Ländern wie Indien und China einen Ausweg aus der Massentierhaltung?

    Wenn die Menschen bereit wären, ihren Fleischkonsum einzuschränken und es wieder den Sonntagsbraten geben würde, hätten Tiere auch die Chance auf eine bessere Haltung. Früher war es normal, dass unter der Woche vegetarisch gekocht wurde, da man sich täglichen Fleischkonsum gar nicht leisten konnte. Faire Preise für Fleisch und das Bewusstsein des Konsumenten würde schon helfen.

  • Spürst du als Landwirtin bereits die Auswirkungen der Klimakrise?

Die Zeichen einer Klimakrise nehmen wir schon seit einiger Zeit wahr. Durch die steigenden Temperaturen haben wir im Obstanbau und in den Weingärten mit neuen Schädlingen zu kämpfen. z.B die Kirschfruchtfliege. Auch das Wetter hat sich sehr verändert – es gibt eigentlich nur noch zwei Jahreszeiten. Herbst und Frühling treten zusehends in den Hintergrund.

 

  • Eure Schweine, Hühner und Enten haben ein wirklich schönes Leben in Freiheit - denkst du, dass sich die Energie der Tiere, die wir essen auf unsere Gesundheit auswirkt? bzw. Wie können wir uns erklären, dass immer mehr Menschen erkranken? 

    Natürlich wirkt sich die Haltung und der Umgang mit Tieren auf ihr Wohlbefinden aus. Das Fleisch aus artgerechter Tierhaltung ist gesünder als solches von Tieren, die leiden. Sogar wenn Tiere ein Leben lang in Freiheit leben und am Tag der Schlachtung gequält und gestresst werden, wirkt sich das maßgeblich auf die Energie des Fleisches aus. Tötet man ein Tier schonend, wird in dessen Muskelzellen die Stärke Glykogen zu Milchsäure abgebaut. Milchsäure macht das Fleisch zart und länger haltbar. Ein gestresstes Tier produziert Adrenalin, das ins Blut gelangt und zum Absinken des Glykogenspiegels und zum Anheben des PH-Wertes führt. Dadurch wird das Fleisch zäh. Sehr bedenklich finde ich den Einsatz von Antibiotika in der Massentierhaltung.

  • Wir sind Meister darin, die Ressourcen unsere Erde, Tiere und Pflanzen auszubeuten. Wir beuten uns sogar selbst aus. Burn out. Denkst du, dass wir den Point of Return noch schaffen können, den Klimawandel zu stoppen?

    Jeder Einzelne ist aufgefordert, bei sich selbst anzufangen und einen Beitrag zu leisten. Hausverstand einsetzen und kleine Schritte gehen.

  • Was würdest du einem jungen Landwirt raten, der daran denkt, den Hof zu Hause zu übernehmen? 

Mit Produkten oder Tieren arbeiten, an denen man Freude hat, und vor allem von denen man selbst überzeugt ist. Nischen suchen und finden. Vor allem ist es meiner Meinung nach wichtig, den direkten Kontakt zu Gastronomen und Konsumenten zu suchen, um voneinander zu lernen und um die Kommunikation nach Außen voranzutreiben.

  • Welches Buch würdest du einer guten Freundin schenken?

„Heilkräuter in meinem Garten“ von Rosemary Gladstar und „Die Wiese“ von Jan Haft

  • Stell dir vor, ein Engel würde zu euch auf das Weingut geflogen kommen. Sein Geschenk an dich: du darfst einen einzigen Fehler der Menschen wieder gut machen. Was wäre das?

Den Respekt und das Einfühlungsvermögen für die Natur wiederfinden!