Corona - Schockstarre nach 26 Jahren

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Eben noch dem Leben hinterher gehetzt - unausgeschlafen frühmorgens aus dem kuscheligen Bett gekrochen, wie ferngesteuert den Yoga-Ganzkörperflow von Maddy Morrison auf Youtube absolviert, Anti-Faltencreme, Wimperntusche mit false lash effect und Rouge (tierversuchsfrei) aufgetragen, mich ins viel zu enge Dirndl geworfen, ein Porridge gekocht, herrlich duftenden Arabica-Kaffee aus Äthiopien geschlürft, mit meinem uralt Volvo V70 in den Betrieb gefahren. Tagtäglich dasselbe Ritual, mit dem abstrusen Gefühl, dem Leben hinterher zu hecheln und ständig zu spät zu kommen. Oft kam mir der Gedanke, welch Luxus es doch wäre, die Zeit mal für einen Moment anzuhalten. Auf Pause zu drücken. Mit einem Moment hatte ich eher an ein paar Stunden gedacht, nicht an ein ganzes Jahr oder gar länger.

Self fulfilling prophecy - meine selbsterfüllende Prophezeiung hat sich wohl bewahrheitet - seit gut einem Jahr hat die ganze Welt beinahe durchgehend eine Vollbremsung hingelegt und sich zu einem großen Teil in die eigenen vier Wänden zurückgezogen. Umwelttechnisch ein Segen, wirtschaftlich betrachtet ein Desaster, persönlich gesehen ein Schock. Meine Familie hatte seit 1994 nonstop geöffnet. Kein Ruhetag. 365 Tage im Jahr waren die Türen für unsere Gäste von 10:00 vormittags bis 00:00 nachts geöffnet. Zu Beginn sind wir in eine Schockstarre verfallen - wie Rehe, wenn sie nachts von den Scheinwerfern der Autos erfasst werden.

Wir sind bis heute dennoch täglich in den Betrieb gegangen, haben weitergekocht, unseren Gästen zumindest Take Away und Lieferservice angeboten. Eher als Zeitvertreib und Service als für Geld. Anfangs hatten wir ohnehin damit zu kämpfen, das prall gefüllte Lager zu verwerten, um Lebenmittel-Abfall zu reduzieren und den Schaden dahingehend so gering als möglich zu halten.

Oft erhasche ich mich, wie ich darüber grüble, dass die Pandemie wohl der Lehrmeister des 21. Jahrhunderts ist. Die Natur hat den Spieß umgedreht und uns Menschen in “Käfige” gesperrt - vielleicht weil wir es nicht anders verstehen wollten. In demokratischen Systemen, wie den Unseren, in denen Menschenrechte groß geschrieben werden, ein echter Systembruch. Meine Generation wurde äußerst selten restriktiv behandelt - ganz im Gegenteil fühlen wir uns oftmals von den unbegrenzten Möglichkeiten und Freiheiten überfordert.

Vom einen auf den anderen Tag eingesperrt in den eigenen vier Wänden wie es Schweine, Rinder, Hühner und viele andere Tiere, die wir gerne verspeisen, teilweise erdulden müssen. Küsse, Umarmungen und körperliche Nähe gelten als risikoreiches Verhalten. Distanz als Akt der Liebe und Wertschätzung. Verhüllung von Mund und Nase wird Teil unseres Alltags.

Der Boomerang von Mutter Erde hat auch unser Gasthaus auf eine harte Probe gestellt. Tut er noch. Wird er noch lange tun. Wir mussten schnellstmöglich handeln, damit unser Lebensmittellager nicht auf dem Komposthaufen landet. Viele Nahrungsmittel konnten eingefroren werden. Ein Teil der Frischware wie Gemüse und Obst wurde durch das kreative Schaffen unserer Küchenfeen zu Fonds, Strudel, Soufflés, Knödel, Röster, Letscho, Marmeladen und Saucen verarbeitet.

Jede Not birgt eine Chance. So fand eine sehr alte Verarbeitungsmethode wieder Einzug in unsere Küche: das Fermentieren. Von Oma auch Einsalzen genannt. Fermentieren war früher die einzige Methode, die reiche Ernte des Sommers für den Winter zu konservieren. Durch die probiotischen Mikroorganismen nicht nur ein Segen für unseren Darm, sondern auch die ideale Methode, um Lebensmittelabfälle zu reduzieren, Saisonales länger verfügbar zu machen und bares Geld zu sparen.

Gekostet und für lecker und Darm-gesund befunden.

Fermentiertes gesundes Frühlingsgemüse

Die Grundregel lautet: auf 1 Liter Wasser kommen 20 Gramm (1 Esslöffel) Stein - oder Meersalz

Die Grundzutaten fürs Konservieren: Wasser, Salz, Gewürze, Kräuter und das gewünschte Gemüse. Dann tun Mikroorganismen, die sich im Wasser, der Luft oder auf dem Gemüse befinden das ihre. Luftdicht verschlossen beginnt nämlich die Milchsäuregärung. Durch Wärme entstehen innerhalb weniger Wochen gesunde Milchsäurebakterien, die auch Bestandteil unserer Darmflora sind.

Die Fermentation ist ein bewusst angewandter Gärungsprozess, im konkreten Fall eine sogenannte Spontangärung. Bakterien, die bereits auf dem Gemüse leben, bauen den darin enthaltenen Zucker zu Säure ab. Das Gemüse wird also sauer. Dabei entsteht Kohlendioxid, das den Sauerstoff aus dem Gemisch treibt. Unerwünschte Mikroorganismen können sich ab hier nicht mehr durchsetzen, die für den Menschen gesunden Milchsäurebakterien hingegen vermehren sich.

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Fermentierter grüner und weißer Spargel mit selbst gepflückter Brunnenkresse

  • jeweils 1 kg Grüner Spargel und 1 kg weißer Spargel

  • 1 Faustvoll Brunnenkresse (erhältlich in Bachbeeten von September bis Mai - zählt zu den gesündesten Lebensmitteln)

  • Meersalz

  • Schale einer halbe Bio-Zitrone

  • große Einmachgläser

  • ein kleiner Teller oder eine kleine Schüssel zum Beschweren

Weißen Spargel schälen, grünen Spargel ungeschält längs schneiden; die hölzernen Enden wegschneiden und für eine Spargelcremesuppe beiseite legen.

 Nun 3 – 7 Tage bei Zimmertemperatur (18 – 23 °C) stehen lassen. Danach 10 – 14 Tage an einem kühleren Ort bei etwa 15 °C fermentieren lassen. Immer noch nur mit den Gewichten beschwert und ohne festgeschraubtem Deckel!

Anschließend Gewichte entfernen, Gläser verschrauben und weitere 4 – 6 Wochen im kühlen Keller oder Kühlschrank lagern.